Seydlitz Geographie 1, Nordrhein-Westfalen
Das Schulbuch „Seydlitz Geographie 1, Nordrhein-Westfalen“ ist 2019 erstmalig im Westermann-Verlag erschienen. Als solches wurde es konzipiert für den Unterricht im Fach Geographie der Klassenstufe 5/6 für das nordrhein-westfälische Gymnasium. Neben dem Schülerbuch ist eine breite Auswahl an Zusatzmaterialien verfügbar. Dazu zählen Lehrerhandreichungen, Arbeitshefte, Kopiervorlagen, digitale Unterrichtsassistenten (Bi-Box), eine App, mit der sich die Lernenden auf Prüfungen vorbereiten können, sowie Vorschläge für die Konzeption von Stoffverteilungsplänen. Das Thema Landwirtschaft wird im Kapitel drei: „Landwirtschaft bei uns“ thematisiert.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler[1]haben mit der Bearbeitung der Kapitel des Schulbuches die Möglichkeit, vielfältige Kompetenzen zu erwerben, die im Kernlehrplan des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen für diese Jahrgangsstufe vorgesehen sind. Darin ist beispielsweise vorgesehen, dass die Lernenden die Standortfaktoren Klima und Boden sowie deren Bedeutung für den primären Sektor kennenlernen sollen. Das Lehrwerk setzt diese Forderung besonders auf der ersten Doppelseite des Kapitels „Landwirtschaft bei uns“ um, in dem es eine Karte bereithält, aus der die Schüler die landwirtschaftlichen Erzeugnisse ablesen können. Die folgende Doppelseite bietet dazu außerdem ein Schaubild an, aus dem die Zusammenhänge zwischen den Faktoren Licht, Temperatur, Niederschlag und Klima hervorgehen. Zudem werden Bilder eingesetzt, um diese Sachverhalte zu illustrieren. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Nachvollziehen der Produktionskette einzelner Nahrungsmittel. Im Buch wird diese beispielsweise mithilfe einer schematischen Darstellung zur Verarbeitung und Verwertung der Zuckerrübe vorgestellt. Auch die folgenden Seiten fokussieren stets auf den prozesshaften Charakter bei der Erzeugung von Lebensmitteln, insbesondere bei den Gütern Milch und Getreide.
Des Weiteren fokussiert das Schulbuch auf methodische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es ermöglicht durch die Methoden-Seiten den Erwerb fachspezifischer Arbeitsweisen und fächerübergreifender Arbeitstechniken. Dies gilt auch für die Aktiv-Seiten, die handlungsorientiertes Lernen fokussieren. Auf den Spannend-Seiten werden außerdem ergänzend zum vorgesehenen Curriculum vertiefende Informationen zu den Lerninhalten geliefert.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch verfügt über einen Festeinband und ist mit einem Maß von 27x20 Zentimetern sehr handlich und gut für den Unterrichtsalltag geeignet. Es beginnt im Einband mit einer physischen Karte Europas. Darauf folgt die Titelseite sowie das Impressum, in dem auch Informationen zum titelgebenden Wissenschaftler „Ernst von Seydlitz“ gegeben werden. Daran schließt sich das Inhaltsverzeichnis an. Hier finden sich die sechs inhaltlich-thematischen Kapitel sowie der Anhang. Diese haben alle einen unterschiedlichen Umfang und gliedern sich in verschiedene Unterthemen auf. Unmittelbar nach dem Inhaltsverzeichnis folgt die Einführung in die Nutzung des Schulbuches. So wird erläutert, dass das Buch in blaue und grüne Aufgaben differenziert. Während die blauen Aufgaben das Fundament, also das, was die Schüler am Ende können sollten, abbilden, bilden die grünen Aufgaben eher das Addendum, also zusätzliche Informationen zu einem Lerninhalt an. Aufgaben, die mit einem Sternchen versehen sind, bieten im Anhang einen Lösungstipp an. Ferner werden Hinweise zur Farbgebung der Sonderseiten gegeben. Methoden-Seiten sind orange unterlegt, Aktiv-Seiten blau, Spannend-Seiten grün und Alles-Klar-Seiten, auf denen die Schüler das Gelernte individuell überprüfen können, grau.
Die Seiten der Kapitel kombinieren unterschiedliche Medien miteinander: Texte, Bilder, Grafiken, Tabellen und Karten. In den Texten sind die Fachbegriffe zusätzlich fett gedruckt, es werden Tipps zu den erforderlichen Methoden und kurze Definitionen in Form von Merkkästen gegeben. Die Sonderseiten sind in unterschiedlicher Anzahl in den Kapiteln integriert. Jedes Kapitel schließt mit den Alles-Klar-Seiten. Am Ende des Lehrwerkes finden sich die Starthilfen, zu denen auch Formulierungshilfen und Hinweise zum richtigen Lesen von Operatoren gehören. Auch ein „Mini-Lexikon“ ist auf den letzten Seiten angesiedelt sowie ein kleiner Kartenteil, mit dem alternativ zum Atlas schnell gearbeitet werden kann. Den Abschluss bilden die Bildernachweise sowie ein Online-Schlüssel, mit dem digitale Karten und andere Elemente abrufbar sind.
Das dritte Kapitel umfasst alle Inhalte zur Landwirtschaft: Begonnen wird mit einer Einstiegsseite, die verschiedene Lebensmittel zeigt. Daran schließt sich die erste Doppelseite an, auf der die Bedeutung von Nahrungsmitteln für den Alltag der Menschen aufgezeigt wird. Außerdem wird ein Einblick in die räumliche Verteilung der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen gegeben. Darauf aufbauend werden die Standortfaktoren für bestimmte Erzeugnisse auf zwei Seiten abgehandelt. Besonderer Fokus liegt dabei auf der Zuckerrübe. Danach geht es um Hightech im Kuhstall sowie weiterführend um intensive Tierhaltung am Beispiel des Schweins und des Huhns. Es folgen zwei Doppelseiten zur ökologischen Landwirtschaft, wobei zunächst ein Bio-Betrieb exemplarisch vorgestellt und danach das Führen einer Diskussion mit Argumenten angebahnt wird. Im Weiteren wird der Strukturwandel in der Landwirtschaft auf zwei Doppelseiten fokussiert. Dabei werden die Begriffe Mechanisierung und Spezialisierung eingeführt und illustrierend dargestellt. Anschließend erfolgt der weitere Blick nach Europa und die europäische Landwirtschaft wird betrachtet. Als ein Beispiel wird die Produktion von Erdbeeren vorgestellt. Das Kapitel schließt wie die anderen mit einer Alles-Klar-Seite.
Reflexion
Bereits in der Analyse der Seiten ist deutlich geworden, dass diese vielseitig, motivierend und schülergerecht gestaltet sind. Besonders hervorzuheben sind die abwechslungsreiche und lebensweltorientierte Auswahl der Medien auf den Seiten. Dennoch wirken sie, was auch durch die unterschiedliche farbliche Unterlegung der Texte zustande kommt, etwas überladen. Die Texte sind kurz, am Leistungsvermögen der Lernenden orientiert und enthalten passende Formulierungen. Mit Blick auf den Satzbau lässt sich allerdings sagen, dass sie stellenweise verschachtelt sind, was ungeübte Leser teilweise demotivieren kann. Betrachtet man die Aussagen in den Texten, so fällt auf, dass sie in einigen Abschnitten präzise Formulierungen vermissen lassen oder Aussagen stark didaktisch reduzieren. Dies betrifft beispielsweise die Erläuterungen zum Fruchtwechsel auf der Doppelseite zur Zuckerrübe aber auch den Text zum Melken mit dem Melkroboter. Diese lassen Fachbegriffe („ausgemolken“ statt „das Euter ist leer“) weg oder nennen Aspekte, die nur in Teilen richtig sind. So wird das Euter nach dem Melken häufig mit Jod eingesprüht, um kleine Verletzungen, die durch das Melken oder Laufen auf der Weide entstehen können, zu behandeln. Nicht wie hier dargestellt …Auch die Aussage, dass Kühe aufgrund der Erkennung im Melkroboter ein Halsband mit Chip tragen, ist nur teilweise richtig. In modernen Milchviehbetrieben erfolgt über diese Chips ein umfassendes Herdenmanagement, das digital gesteuert wird. Auch die Doppelseite zur Intensivtierhaltung weist diese Probleme auf. Hier wird geschrieben, dass die Gülle in den Tanks beziehungsweise bei der Lagerung starke Gerüche verursacht, die die Menschen belästigen. Das ist jedoch keineswegs der Fall, denn die Landwirte sind verpflichtet die Anlagen so abzudecken, dass kaum Gerüche entstehen. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Textformat. Es fällt auf, dass einige Seiten hintereinander verstärkt mit Interviews arbeiten, während andere Seiten, die ebenfalls direkt nacheinander angeordnet sind, besonders intensiv mit Schaubildern und Diagrammen arbeiten. Durch eine abwechslungsreichere Seitengestaltung kann die Motivation der Lernenden noch weiter gefördert werden.
Zu den Bildern und den Diagrammen lässt sich darüber hinaus sagen, dass sie zielführend ausgewählt sind und die Schüler aus ihrer Lebenswelt abholen. Auch die stellenweise auftretenden Schwarz-Weiß-Bilder sind gut gewählt und verdeutlichen den historischen Kontext. Einige Bilder, insbesondere jene, die auf den Methoden-Seiten abgedruckt sind, dienen jedoch ausschließlich als platzfüllende Elemente. Sofern Bilder keinen Mehrwert für den Kompetenzerwerb bieten, sind sie auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse wegzulassen (vgl. BALLSTAEDT 1997). Auf der Seite zur Meinungsbildung über die Alternativen der Landwirtschaft wird dies sehr deutlich.
Die Aufgaben sind operationalisiert, taxonomisch gegliedert und lassen sich mithilfe der Ausführungen auf den Seiten beantworten. Allerdings fällt auch hier auf, dass sie teilweise sehr einseitig sind. Häufig werden Recherchen eingefordert oder das Halten von Kurzvorträgen erbeten. Handlungsorientierte Aufgabenstellungen, bei denen die Lernenden kooperativ arbeiten oder sich an anderen Methoden ausprobieren, sind sehr selten. Auch die Möglichkeiten zum Lernen außerhalb der Schule, beispielsweise in Form des Regionalen Lernens, werden nicht aufgegriffen. Dies wäre jedoch mit Blick auf die Lerninhalte, die prädestiniert für solche Formate sind, wünschenswert.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Lehrwerk eine gute Grundlage für den Einsatz im Unterricht und für die Thematisierung landwirtschaftlicher Themen bietet. Vor allem die lebensweltnahen Bilder und die schematischen Darstellungen sind als sehr gelungen zu bewerten. Eine weniger stark didaktisch reduzierte Betrachtung der Lerninhalte und handlungsorientiertere Aufgabenformate, die auch eine stärkere Fokussierung des außerschulischen regionalen Lernens mit einschließen, wären jedoch erstrebenswert.
[1]Im Folgenden wird zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Dies schließt jedoch stets die weibliche Form mit ein.
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