"So leben Milchkühe“ und „Tierwohl – Was hat das mit mir zu tun?"
Die beiden Hefte sind 2017 und 2018 erstmals erschienen und für einen gemeinsamen Gebrauch ausgelegt. Die Materialien sind für die Jahrgangsstufen 7 bis 9 konzipiert und lassen sich hauptsächlich im Sozialkunde-, Politik-, Wirtschaftsunterricht oder in der Verbraucherbildung einsetzen. Eine Einbettung könnte aber auch in informellen Settings, der Ganztagsbildung oder in Projekten erfolgen. Beide Materialien können digital kostenlos abgerufen werden. Das Thema „Landwirtschaft“ wird auf allen Seiten der Hefte angesprochen.
Lernziele und Kompetenzen
Im Rahmen der Bearbeitung der beiden Hefte bekommen die Schülerinnen und Schüler[1] die Möglichkeit, zahlreiche Kompetenzen zu erwerben, die auch in unterschiedlichen Lehrplänen gefordert werden. Das Pocket-Heft („So leben Milchkühe“) stellt dabei wichtige Informationen in Textform bereit, die dann mit Hilfe des Materials („Tierwohl – Was hat das mit mir zu tun?“) bearbeitet werden können.
So wird beispielsweise im Fachlehrplan des Faches Wirtschaft für das Bundesland Sachsen-Anhalt gefordert, dass die Schüler mögliche Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten beurteilen. Das Material fokussiert diese Forderung, in dem es die Macht des Verbrauchers mit einer Aussage der Staatssekretärin des Bundeslandwirtschaftsministers an den Beginn der Erarbeitungsphase stellt und bereits dort das Hauptaugenmerk auf den Einfluss des Verbrauchers auf das Tierwohl in der Milchviehhaltung legt. Auch methodische Kompetenzen, wie beispielsweise die Durchführung eines Placemats oder einer Diskussion, werden mit der Arbeit am vorliegenden Material geschult.
Analyse
Aufbau der Hefte
Das Pocket-Heft stellt in einem „Wussten Sie schon, dass...?“-Format unterschiedliche, interessante Fakten zur Milchviehhaltung zusammen. Auf insgesamt zwölf Seiten werden reichhaltige Informationen gemeinsam mit Fotos angeboten, die als Grundlage für die weitere Arbeit mit dem Unterrichtsbaustein fungieren.
Die erste der zwölf Doppelseiten beginnt mit der Erklärung, dass eine Kuh nur dann Milch geben kann, wenn sie auch ein Kalb zur Welt gebracht hat. Jedes Jahr muss sich dieser Vorgang wiederholen, damit die Hormone zur Milchbildung ausgeschüttet werden. Da das Kalb nur einen geringen Teil der Milch benötigt, wird der größte Teil an die Molkereien weitergegeben, die Käse, Jogurt und andere Milchprodukte herstellen. Etwa 10 Monate wird die Kuh dann gemolken bis sie für sechs bis acht Wochen trocken gestellt wird. Damit beginnt ein neuer Kreislauf.
Auf der zweiten Doppelseite wird die Verdauung der Kuh genau beschrieben. Die einzelnen Organe und Mägen werden aufgezählt und der Vorgang des Wiederkäuens erläutert. Auch die tägliche Futterration einer Kuh wird erläutert und die einzelnen Bestandteile genauer betrachtet.
Die folgende Doppelseite setzt sich mit dem täglichen Melkvorgang auseinander. Es wird dargelegt, dass Kühe bis zu dreimal am Tag gemolken werden. Das häufige Melken sorgt für eine Entlastung des Euters, ist aber auch anstrengend für die Tiere, da es die Milchproduktion stimuliert. Darüber hinaus findet sich auf der Seite eine Querschnittsdarstellung eines Melkstandes im Fischgräten-Stil. Weitere Möglichkeiten wie Melkroboter oder Melkkarusselle werden erklärt.
Im Weiteren zeigt das Pocket-Heft auf, dass moderne Technik im Kuhstall das Wohlbefinden der Tiere fördert. Egal ob die automatische Fütterung mit Kraftfutter oder das Melken mittels Melkroboter – alle neuen Möglichkeiten entlasten die Kühe und bieten ihnen Komfort. Zudem unterstützt die Technik die Landwirte dabei, die Gesundheit der Tiere zu überprüfen und Krankheiten vorzubeugen.
Anschließend wird die Haltung von Milchkühen thematisiert. Frühere Modelle wie Anbindehaltung werden seit den 1970er Jahren zunehmend von Boxenlaufställen abgelöst. Darin können die Tiere sich frei bewegen, Futtertische, Melkstände und Melkroboter sind in einem Gebäude vereint. Für ein gutes Stallklima können die Wände geöffnet werden und Ventilatoren fördern die Durchlüftung.
Die nächste Doppelseite beschäftigt sich mit dem Enthornen der Tiere. Bereits als Kalb werden sie von ihren Hörnern getrennt, um sich nicht gegenseitig zu verletzen. Viele Ökoverbände verbieten das Enthornen oder gestatten es nur unter Zugabe von Betäubungs- oder Schmerzmitteln.
Es schließt sich eine Doppelseite an, die sich mit der Haltung von Milchkühen auf der Weide beschäftigt. Die Bezüge zur naturräumlichen Ausstattung und der Größe der Herde sowie finanzielle Aspekte werden angeführt.
Die folgenden Seiten zeigen die Notwendigkeit der Klauenpflege für Milchkühe auf. Der hohe Druck, der auf die „Zehenspitzen“ der Tiere durch ihr enormes Gewicht abgegeben wird, kann dafür sorgen, dass sich die Klauen verformen und sich Fehlstellungen der Beine entwickeln. Um dem vorzubeugen, empfiehlt sich eine regelmäßige Klauenpflege.
Auf den anschließenden Seiten wird die Bewirtschaftung von Grünland erläutert. Ob als Grünfutter, in der Grassilage oder als Heu bietet Grünland vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für Landwirte. So werden die Standorte, auf denen beispielsweise kein Getreide angebaut werden kann, ebenfalls sinnvoll bewirtschaftet. Darüber hinaus bietet eine derartige Nutzung einen Lebensraum für viele Insekten, Vögel und Niederwild, sodass ein wichtiger Beitrag zum Arten-, Gewässer-, Boden- und Klimaschutz geleistet wird.
Die vorletzte Doppelseite greift den Aspekt des Tierschutzes auf und legt die Grundzüge des Tierschutzgesetzes in Deutschland dar. Zur Erhaltung des Wohlbefindens der Milchkühe gibt es strenge Auflagen, die Regeln zur Fütterung, Haltung, Gesundheit und Transport von Tieren beinhalten.
Das Pocket-Heft schließt mit der Darstellung unterschiedlicher Betriebsgrößenklassen. Außerdem wird verdeutlicht, welche Bedeutung die Fähigkeiten des Betriebsleiters für das Wohlbefinden der Tiere auf dem Bauernhof haben. Im Weiteren wird der Einfluss des Verbrauchers dargestellt. Viele Milchprodukte sind mittlerweile mit Labeln ausgestattet, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Produktion herausstellen. Aber auch der Direktkauf im Hofladen, auf dem Markt oder an der Milchtankstelle werden zunehmend beliebter.
Der Unterrichtsbaustein schlägt eine Unterrichtseinheit zum Thema Tierwohl in der Milchviehhaltung vor, bei der unter der Leitfrage: „Die Macht des Verbrauchers – Was heißt das für mich?“ kooperativ gearbeitet werden soll. Dafür sind drei bis vier Unterrichtsstunden vorgesehen. Eine kleine Tabelle mit Beschreibungen und Ideen der unterrichtlichen Umsetzung ermöglicht ein schnelles Einarbeiten. Dabei wird ein viergliedriges Vorgehen empfohlen. Zunächst wird ein Zitat der parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundeslandwirtschaftsministerium Flachsbarth gelesen. Unter der bereits genannten Leitfrage sollen die Schüler in kleinen Gruppen mit Hilfe der Placemat-Methode ihre Gedanken zur Fragestellung notieren. Innerhalb der Gruppe wird sich auf ein gemeinsames Ergebnis geeinigt. Im Folgenden lesen die Schüler das Pocket-Heft, wobei lernschwächere Schüler die Möglichkeit haben, die Lesemethode des Textverstehers zu nutzen. Im Anschluss daran erhalten die Gruppen die Möglichkeit, sich ihre Notizen auf dem Placemat erneut anzusehen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. In einem dritten Schritt führen die Schüler eine Internetrecherche durch, in der sie sich zu unterschiedlichen Programmen zur Forderung des Tierwohls informieren. Dazu können sie das Material verwenden. Aus diesen neu gewonnenen Erkenntnissen entwickeln die Schüler gemeinsam Ideen, wie sie mit ihren Kaufentscheidungen das Tierwohl beeinflussen können. Auf einem weiteren Arbeitsblatt werden sie aufgefordert, in einer Abschlussreflektion ihre zukünftige Handlungsweise als Verbraucher zu überdenken und schriftlich darzulegen.
Reflektion
Die kleinen Texte und Fotos des Pocket-Heftes sind kurz, informativ, sachlich, ansprechend und ausgewogen. Es werden jedoch weder Erläuterungen wesentlicher Fachbegriffe vorgenommen noch Prozesse oder Handlungsabläufe in der Milchviehhaltung bzw. Milchproduktion erläutert. Daher eignet es sich nur eingeschränkt als Unterrichtsmaterial.
Bei der Diskussion der Leitfrage, zu der mit Hilfe der Placemat-Methode Gedanken notiert werden sollen, ist es fraglich, ob die Schüler genügend Vorwissen zu diesem Thema mitbringen. Die angebotenen Hilfestellungen, wie das Material A3 („Textversteher“), die die Schüler beim Aufschließen der Texte unterstützen, sind nur dann sinnvoll, wenn noch kein anderes methodisches Vorgehen erlernt wurde (z.B. die Fünf-Schritt-Lesemethode). Obwohl in den Kompetenzerwartungen formuliert ist, dass die Schüler mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit vertraut gemacht werden sollen, wird in der vorgeschlagenen Einheit kein Bezug dazu hergestellt. Das Heranziehen von bekannten Labeln auf Milchprodukten schafft einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler. Gleiches gilt für die weiterführende Aufgabe, bei der zukünftige Kaufentscheidungen abgewogen werden sollen. Es empfiehlt sich bei der Behandlung dieses komplexen Themenfeldes eine Erkundung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb oder zu einer Molkerei, bei der Aspekte des Tierwohls durch die jeweiligen Experten (Landwirt oder Molkereiinhaber) veranschaulicht und gemeinsam diskutiert werden können. Auf diese Weise erlangen die Schüler eine eigene Vorstellung über die zu behandelnden Sachverhalte.
[1] Im Folgenden findet ausschließlich die maskuline Form Anwendung. Dies schließt jedoch stets die feminine Form mit ein.
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