Energie - Natur, Mensch, Technik mit Begleitheft für Ideen im Unterricht
Das vorliegende Lehrwerk „Energie – Natur, Mensch, Technik“ verfügt über zwei Teile. Zunächst das Sach- und Werkbuch, dass 2007 erstmals erschienen ist und mittlerweile in der vierten Auflage (2017) herausgegeben wird. Dazu gehört das didaktische Begleitheft, in dem Ideen für den Unterricht zu finden sind, welches in der zweiten erweiterten Auflage 2019 vorliegt. Als Herausgeber für beide Werke sind das Forschungszentrum Jülich GmbH in der Helmholtz-Gesellschaft sowie die MIC gGmbH ausgewiesen. Die Materialien lassen sich in der Schule einsetzen, wobei der Unterricht der naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Physik und Geographie die größten Potenziale bereithalten. Zusätzliche Einsatzmöglichkeiten erschließen sich für Arbeitsgemeinschaften im Ganztagsbereich. Vor allem aber finden thematisch-inhaltlich Interessierte (Lehrer wie Schüler) aktuelle, detailreiche und wissenschaftlich fundierte Ausführungen zur Thematik. Die Landwirtschaft wird überwiegend im Kapitel fünf: „Energie und Zukunft“ sowie am Rande von Kapitel vier „Energie und Umwelt“ aufgegriffen. Als Querschnittsaufgabe aller Fächer ist auch das letzte Kapitel: „Energie, Klima und Berufe“ von Interesse.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung der Inhalte des Lehrwerkes erhalten Schüler:innen die Möglichkeit, zahlreiche Kompetenzen zu erwerben, die sich in den Lehrplänen der Bundesländer wiederfinden. So steht beispielsweise im Kerncurriculum der niedersächsischen Oberschule für das Fach Physik, dass das Thema „Energie“ als themenübergreifende Leitlinie zu verstehen ist, die zahlreiche Themenbereiche des Faches wie Elektrizität, Mechanik sowie Atom- und Kernphysik miteinander verbindet. Diese bauen auf den Grundlagen der Grundschule auf, die sich überwiegend mit dem Einsparen von Energie und den zugehörigen Maßnahmen sowie den Möglichkeiten der (nachhaltigen) Energiegewinnung befassen. So sollen die Lernenden beispielsweise am Ende der achten Klasse in der Lage sein, unterschiedliche Formen der Energiegewinnung zu benennen und zu unterscheiden. Das Buch setzt diese Forderungen insbesondere im Kapitel sechs um, in dem es sich mit Energietechnik auseinandersetzt. Dabei werden verschiedene Energiequellen und Möglichkeiten der Energiegewinnung dargelegt: Wasserstoff, Sonnenenergie, Biomasse, Geothermie, Kernenergie und Windkraftanlagen stehen im Fokus. Auch die Notwendigkeit der Erschließung alternativer Energiequellen, was überwiegend in der Klassenstufe 9/10 thematisiert wird, greift das Buch auf. Dazu kann Kapitel fünf betrachtet werden, in dem Solarkraftwerke der Zukunft oder Methanhydrat als alternative Quelle auf dem Meeresgrund vorgestellt werden. Das Arbeitsheft mit den Kopiervorlagen ergänzt die Materialien des Buches und bereitet sie über Aufgaben und weitere Medien für die Schüler:innen didaktisch auf.
Wichtig zu erwähnen ist auch der Beitrag zur Berufsorientierung, der im Kapitel sieben geleistet wird. Dabei werden verschiedene Berufe vorgestellt, welche die Gewinnung, Nutzung und Aufbereitung von Energie zur Aufgabe haben. Auf diese Weise wird Schüler:innen eine wertvolle Unterstützung im Berufswahlprozess gegeben.
Aufbau und Analyse beider Werke
Das Sachbuch verfügt über einen weichen Softcovereinband und hat ein quadratisches Format, das deutlich kleiner ist als das klassische DIN-A4, welches beim Arbeitsheft genutzt wurde. Nach einem kurzen Impressum und dem Vorwort folgt das Inhaltsverzeichnis, das die sieben inhaltlichen Kapitel mitsamt ihren Unterkapitel sowie die kleine vorweg geschaltete Einleitung ausweist. Die Kapitel sind von unterschiedlichem Umfang. Sie beginnen jeweils mit einer Einstiegsdoppelseite, die ein großformatiges Foto und die entsprechende Überschrift mit einem kleinen Einstimmungstext zeigt. Im Einleitungskapitel werden die Inhalte der einzelnen Kapitel unter Nutzung der Auftaktfotos kurz beschrieben. Das erste Kapitel trägt den Titel „Von der Hexenküche `Urknall` bis in unsere Gegenwart“. Es akzentuiert die Sonne als wichtigste Quelle des Lebens auf der Erde. Die Entwicklung der Sonnenenergie vom Urknall bis in die Gegenwart wird in Verbindung mit der Frage aufgegriffen, wie lange die Sonne als solche noch für die Menschen leuchtet. Ferner werden verschiedene Perspektiven auf die Sonne als Energieträger eingenommen, wobei der Fokus auf der nachhaltigen Nutzung der Erde liegt. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Kohlenstoffkreislauf des Lebens. Dieser wird erläutert und im Kontext der menschlichen Ernährung näher betrachtet. Wesentliche energetische Prozesse wie beispielsweise beim Heben von Lasten werden anhand von wissenschaftlichen Gleichungen aufgeschlüsselt. Das dritte Kapitel behandelt Themen rund um „Energie und Technik“. Dabei werden die CO2-Bilanzen verschiedener Brennstoffe angesprochen und unterschiedliche Fortbewegungsmittel wie Flugzeuge und Schiffe diesbezüglich miteinander verglichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erläuterung der Gewinnung von Energie mithilfe von Wärmekraftmaschinen oder Dieselmotoren. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Betrachtung der weltweiten Energiereserven. Im vierten Kapitel geht es um den Schwerpunkt „Energie und Umwelt“. Prozesse, wie der Treibhauseffekt und Wettererscheinungen, wie Gewitter, kommen zur Sprache und werden schließlich im Lichte des Klimawandels näher beleuchtet. Das fünfte Kapitel wendet sich der Energie der Zukunft zu, wobei vordergründig die Problemstellungen dargelegt werden, die sich aus den schwindenden fossilen Ressourcen ergeben. Am Beispiel der Solarenergie und noch nicht erschlossenen Energieträgern wie dem Methanhydrat werden mögliche Perspektiven aufgezeigt. Das sechste Kapitel setzt sich mit der Energietechnik auseinander. Verschiedene Formen und Kraftwerke der Energieerzeugung werden in ihren Funktionsweisen erläutert und voneinander unterschieden. Abschließend geht es im siebten Kapitel um Berufe, die in engem Kontext zu Energie und Klima arbeiten. Beispiele werden in Form von Infotafeln aufgegriffen. Der Anhang zeigt Tabellen und Kennzahlen, mit deren Hilfe tiefer in die Thematik eingestiegen werden kann. Hinzu kommen Stichwort- und Literaturverzeichnis.
Demselben Aufbau folgt das Arbeitsheft. Es stellt das Sachbuch in seiner Grundstruktur vor, stellt erste curriculare Vernetzungsmöglichkeiten dar und fasst die Kapitel kurz zusammen. Im Anschluss daran werden didaktisch-methodische Tipps für die Umsetzung im Unterricht gegeben. Auch hier wird nachdrücklich deutlich, dass vor allem zum naturwissenschaftlichen Unterricht Anknüpfungspunkte bestehen. Zu jedem Kapitel werden Kopiervorlagen bereitgestellt, die den Lernenden helfen sollen, die Sachverhalte aufzuschlüsseln. Auf den Arbeitsblättern finden sich überwiegend Aufgaben, die eine Einarbeitung in den Haupttext des Buches erfordern. Auch kleine (Schau-)Bilder und statistisches Material wie Diagramme und Tabellen sind vorhanden.
Reflexion
Nach der Analyse lässt sich festhalten, dass das kombinierte Werk aus Sachbuch und Arbeitsheft sehr einheitlich, strukturiert und hochgradig informativ gestaltet sind. Positiv zu vermerken sind die Querverweise zu wissenschaftlichen Publikationen und Aussagen, die durch die vielseitige Medienwahl unterstrichen wird. Negativ ist hingegen zu vermerken, dass die Materialien nur in geringem Maße schülergerecht und motivierend sind, wie mithilfe der folgenden Aussagen gezeigt werden soll.
Die Texte sind sehr umfangreich und verwenden überwiegend wissenschaftliche Bildungssprache. Zumeist wird dabei ein übergeordneter Blick eingenommen, der regionale oder nationale Maßstäbe nur wenig berücksichtigt, sondern eher die globale Sichtweise einnimmt. So können die Schüler:innen nur bedingt einen Lebensweltbezug herstellen. Fremdworte und Fachbegriffe werden nicht erläutert und zielgruppengerecht aufbereitet. Entsprechend muss die Lehrkraft die Texte didaktisch reduzieren und umformulieren, sodass sie im Unterricht nutzbar gemacht werden können. Hinzu kommen die komplexen Schaubilder und Formeln, welche für die Lernenden in die fachlichen Kontexte des Physik- oder Chemieunterrichts eingebettet werden müssen, damit sie diese auch verstehen können. Ferner ist die Länge der Texte zu kritisieren. Lange Texte, die ganze Doppelseiten einnehmen, sind für Schüler:innen – unabhängig vom Alter – häufig unmotivierend. Hierbei sollte noch stärker auf schülergerechte Darstellungen oder digitales Ergänzungsmaterial wie Videos gesetzt werden, wenn Lehrende das Buch im Unterricht nutzen möchten. Gleiches trifft auch für das Arbeitsheft zu. Die enthaltenen Texte können nur auszugsweise im Unterricht verwendet werden. Denkbar ist, diese für Recherchearbeiten in Einzelarbeitsphasen heranzuziehen.
Die Bilder und Grafiken sind außerordentlich hilfreich und unterstützen den Kompetenzerwerb. Um die Schülerorientierung zu verbessern, sollten diese illustrierenden Medien noch häufiger zum Einsatz kommen. Wichtig wäre dabei eine didaktische Reduktion, um die Lernenden nicht zu überfordern und die Informationsentnahme besser zu steuern.
Die Aufgaben, die vordergründig im Arbeitsheft zu finden sind, weisen teilweise keine Operatoren auf. Erlangte Fähigkeiten und Fertigkeiten können daher nur bedingt nach Maßgabe der Bildungsstandards – die es in jeder Fachdidaktik gibt – nachgewiesen werden. Sofern Operatoren vorhanden sind, lassen sie sich überwiegend dem Anforderungsbereich I zuordnen, der auf die einfache Reproduktion des Gelernten abzielt. Sinnvoll wäre mit Blick auf die Komplexität der Sachverhalte eine stärkere Fokussierung auf die Anforderungsbereiche II und III, die eine zusammenhängende, erläuternde und begründende Auseinandersetzung einfordern. Die genutzten Aufgabenformate sind zudem sehr einseitig. Es wird primär mit multiple-choice-Fragen oder Freitext-Aufgaben gearbeitet. Komplexere Fragestellungen, die die Konstruktion von Wirkungsgefügen oder den Transfer auf andere Sachverhalte oder Raumbeispiele intendieren, wie es in den Anforderungsbereichen II und III nötig wäre, werden nicht aufgegriffen. Handlungsorientierte oder kooperative Aufgabenformate könnten für mehr Abwechslung und Motivation der Lernenden sorgen. Zudem würden sie den Lebensweltbezug unterstreichen. Auch die Erkundung außerschulischer Lernorte wie beispielsweise eine Biogas- oder Photovoltaikanlage könnten zum besseren Verständnis beitragen.
Konkludierend lässt sich sagen, dass das vorliegende Lehrwerk mit seinem Begleitmaterial nur bedingt für den Einsatz an der Schule geeignet ist. Dies kann mit der hohen Komplexität und der gering ausgeprägten Schülerorientierung begründet werden. Lehrkräfte, die die Materialien einsetzen möchten, müssen die Aussagen zielgruppengerecht didaktisch reduzieren und auf eine größere Vielfalt an Materialien und Aufgaben setzen, um die Schülermotivation zu steigern und einen Lebensweltbezug herzustellen. Dazu würde sich ein stärkerer Bezug zum außerschulischen Lernen u. a. mit dem Besuch außerschulischer Lernorte anbieten.
Positiv zu bewerten sind die exzellent recherchierten Informationen und das einheitliche Layout. Auch die Hinweise zur beruflichen Weiterführung vorhandener Interessen in diesem Themengebiet durch die Darstellung entsprechender beruflicher Perspektiven z. B. im Bereich des Ingenieurwesens sind gelungen. Gleichzeitig zeigt sich hier jedoch erneut die Ausrichtung des Werks auf besonders interessierte und leistungsfähige Schüler:innen. Für diese Zielgruppe und zur Ergänzung des Unterrichts ist das Werk eine gelungene fachliche Basis.
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