Lernsituationen Landwirtschaft, Landwirt/-in, 1. Ausbildungsjahr
Das Lehrwerk „Lernsituationen Landwirtschaft“ ist 2019 erstmals im Europa-Verlag erschienen. Es eignet sich für den Einsatz in der Berufsschule und richtet sich an Lernende und Lehrende im Ausbildungsberuf Landwirt/-in, Tierwirt/-in, Pferdewirt/-in und Fachkräfte für Agrarservice. Außerdem kann es von Dozierenden und Teilnehmenden in Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Themenfeld genutzt werden. Auch für die allgemeinbildende Schule hat es Potenzial. So kann es in berufsvorbereitenden Kursen der Haupt- und Realschulen verwendet werden, um Rechenbeispiele zu generieren oder tiefer in bestimmte Themen dieses Bereiches einzutauchen. Es handelt sich um ein Arbeitsbuch, das einen auffordernden und aktivierenden Charakter hat und in dem die Lernenden direkt arbeiten können. Neben der Ausgabe für Schülerinnen und Schüler[1]gibt es auch eine Fassung für Lehrkräfte, die die Lösungen beinhaltet.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung der Themen anhand des Lehrwerkes besteht die Möglichkeit, zur lernfeldorientierten Ausbildung in der Landwirtschaft. Diese Herangehensweise folgt einem kompetenzorientierten Ansatz. In der Berufsschule ist die Arbeit mit Kompetenzen, ähnlich wie in den weiterführenden Schulformen Deutschlands, kein Regelfall. Viele der Lehrpläne der Bundesländer sind verhältnismäßig alt und stammen mehrheitlich aus den 1990er Jahren (z.B. Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen) bzw. aus den 2000er Jahren (z.B. Niedersachsen). Sie werden vergleichsweise selten überarbeitet und es gibt nur wenige aktuelle Fassungen oder Neuauflagen. Zu den aktuellsten zählen Bayern (2019) und Sachsen (2017). Daher hat es sich in der Unterrichtspraxis vielfach bewährt, mit Lernfeldern zu arbeiten. Diese sind beispielsweise pflanzliche Erzeugung, tierische Produktion oder alternative Landwirtschaft und werden den aktuellen Entwicklungen zum Beispiel der Digitalisierung oder neueren Erkenntnissen der Tiermedizin stetig individuell angepasst. Die lernfeldgerechte didaktische Aufbereitung der Lerninhalte lässt sich auch im vorliegenden Lehrwerk finden. So wird im Rahmen der Behandlung der pflanzlichen Erzeugung zunächst auf das Thema Boden und Bodenbearbeitung eingegangen. Dabei werden grundlegende bodenbildende Prozesse dargestellt sowie die Eigenschaften unterschiedlicher Bodentypen und deren fachgerechte Bewirtschaftung betrachtet. Auch die Kriterien für die Beobachtung und Auswertung einer Bodenprobe sind Teil des Kapitels. Darauf aufbauend wird dann die Bewirtschaftung des Bodens thematisiert.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der enge praktische Bezug des Arbeitsbuches. Immer wieder wird auf Versuche, Beobachtungen aus der Praxis und Gespräche mit Ausbildungsleitern verwiesen, die durchgeführt werden müssen, um die Aufgaben zu lösen. Hier schließt das vorliegende Lehrwerk eine Lücke, denn Berichte von Berufsschullehrkräften zeigen immer wieder, dass viele der aktuell genutzten Materialien zu praxisfern und sehr wissenschaftlich gestaltet sind. Dies wird jedoch der zunehmenden Heterogenität und den praxisorientierten Interessen der Schülerschaft an den Berufsschulen nicht umfassend gerecht.
Analyse und Aufbau der Kapitel
Das Lehrwerk erscheint in einem weichen Einband und im klassischen A4-Format. Es beginnt mit der Titelseite und dem Impressum bevor das Inhaltsverzeichnis folgt. Wie bereits in der Betrachtung der curricularen Verknüpfung deutlich geworden ist, orientiert sich das Lehrwerk an den Lernfeldern: pflanzliche Erzeugung und tierische Erzeugung stehen im Fokus. Ein drittes Kapitel umfasst das fachliche Rechnen. Im Anhang befinden sich das Glossar, Arbeitsblattvorlagen und das Bildquellenverzeichnis. Nach dem Inhalt folgt das Vorwort, in dem die Struktur und der Aufbau des Lehrwerkes erläutert wird. Hierzu wird über ein Schaubild die Verknüpfung der einzelnen Lernfelder und deren Teilbereichen illustriert. Im Nachgang werden Hinweise zur methodischen Handhabung gegeben. Dazu zählen unter anderem das richtige Lesen der Operatoren und die Erläuterung der Icons, die im Zuge der Aufgabenstellungen genutzt werden.
Der Einstieg in ein neues Lernfeld oder Kapitel erfolgt immer über eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Grundlagen, was im Falle der Pflanzenproduktion die Bodenanalyse und -bearbeitung sowie bei der Tierproduktion das Kennenlernen der Tierarten und das Deuten von Tierverhalten beinhaltet. Gefolgt werden die Einstiegskapitel von den Themen zur Vermehrung. Dabei stehen die Aussaat und der Anbau von Pflanzen sowie die Zucht, Ernährung und Pflege zunächst von Schweinen im Anschluss von Kühen im Mittelpunkt. Bei der pflanzlichen Erzeugung wird noch einmal besonders auf die Pflege der Ackerfrüchte eingegangen. Den Abschluss beider Kapitel bilden die Themen der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Der Aufbau der Seiten folgt eher dem Prinzip eines Arbeitsheftes oder Arbeitsbuches: Es werden unterschiedliche Materialien und Medien wie Texte, Bilder, Tabellen oder Schaubilder sowie Aufgaben zur Verfügung gestellt, die es zu bearbeiten gilt. Linien oder kleine Kästchen ermöglichen, dass die Lösungen direkt im Buch aufgeschrieben werden können.
Reflexion
In der analytischen Betrachtung des Arbeitsbuches ist deutlich geworden, dass es sich sehr nah an der Lebenswelt und Ausbildungsrealität der Schüler orientiert. Neben der sehr gelungenen Struktur des Lehrmittels ist die Auswahl der Materialien und Aufgaben als ausgesprochen positiv und praxisnah zu bewerten.
Die Texte zeichnen sich durch eine angemessene didaktische Reduzierung und eine alltagsgerechte Sprache aus. Dies gilt sowohl für die kleinen diskontinuierlichen Texte wie beispielsweise die abgedruckten Etiketten von Pflanzenschutz- oder Tierfuttermitteln als auch für die kontinuierlichen Texte, zu denen Zeitungsmeldungen oder kleine Interviews gehören. Dies trifft darüber hinaus auf die Einleitungen der Aufgaben und die Aufgaben selbst zu. Es wird weitestgehend mit Operatoren gearbeitet, die häufig bereits im Wortschatz der Lernenden angelegt sind. Wünschenswert wäre, bei den Aufgaben verstärkt mit Differenzierungen zu arbeiten, die in Form von Lösungs- oder Formulierungshilfen gegeben und auf den letzten Seiten abgedruckt würden. Erfahrungsgemäß fällt es den Schülern, besonders denen mit Förderbedarfen, schwer, Textaufgaben zu lösen. Differenzierte Aufgaben, die sich durch eine andere Farbe von den anderen hervorheben würden, wären daher sehr sinnvoll. Um die Lernenden zusätzlich zu motivieren, stellt das Lehrwerk auch Rätsel wie Buchstabensuche, Kreuzworträtsel oder Lückentexte bereit.
Die Schaubilder und schematischen Darstellungen arbeiten sehr oft mit farblichen Hervorhebungen oder fett gedruckten Begriffen. Auf diese Weise können die einzelnen Bestandteile in den Schemata oder die wichtigen Fachbegriffe sofort identifiziert werden. Auch dies unterstützt die Lernenden beim Kompetenzerwerb und erleichtert zudem den Zugang zu den Inhalten. Gleiches gilt für die Bilder. Diese holen die Schüler aus ihrer Lebenswelt und dem Alltag ab und erleichtern den Transfer aus der Praxis. Besonders positiv hervorzuheben sind alles in allem die praxisnahen Übungen und Verweise. Die Lernenden werden häufig aufgefordert, ihre Beobachtungen einzubringen oder von ihren Gesprächen mit den Ausbildenden zu berichten. Außerdem wird der Austausch zwischen den Lernenden durch die Aufgaben angeregt.
Im letzten Teil des Lehrwerkes sind Aufgaben zum fachlichen Rechnen zu finden. Diese knüpfen direkt an die vorangegangenen Kapitel an und ermöglichen einen Transfer zu den bereits gelernten Inhalten. Auch hier wird mit Lineaturen und Zeichnungen gearbeitet, in die die Schüler ihre Ergebnisse direkt eintragen können.
Abschließend ist zu sagen, dass es sich bei dem vorliegenden Arbeitsbuch um ein sehr gelungenes Lehrwerk handelt. Besonders der enge Praxisbezug und die gute Verknüpfung zwischen den Lernfeldern sind positiv zu bewerten. Die Aufgaben wirken motivierend, sind schülernah und erleichtern den Transfer der praktischen Erfahrungen in die Theorie. Das Lehrwerk schließt damit eine Lücke auf dem Lehrmittelmarkt der beruflichen Bildung.
[1]Zur besseren Lesbarkeit findet im Weiteren das generische Maskulinum Anwendung. Dies schließt jedoch stets die weibliche Form mit ein.
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