Pack aus! Plastik, Müll und ich
Das Buch „Pack aus! Plastik, Müll und ich“ ist 2021 erstmals erschienen. Es wird herausgegeben und gedruckt von der Heinrich-Böll-Stiftung. Dabei versteht es sich als Sachbuch, dass an den Erfolg des Werkes „Tiere, Fleisch und ich – Iss was?“ anknüpfen will und sich der brisanten Thematik des Plastikverbrauchs auf 70 Seiten zuwendet. Es ist für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet und gibt selbst an, Ideen für plastikfreie Schulen oder plastikfreie Festivals bereitzustellen (vgl. boell.de 2021). Denkbar wäre auch, dass es interessante Aufschläge für Umwelt- oder Nachhaltigkeits-AG´s im schulischen oder außerschulischen Kontext liefert. Zudem sind Schul- oder Unterrichtsprojekte sowie andere Bildungseinrichtungen, die sich schwerpunktmäßig der Thematik zuwenden, mögliche Einsatzfelder. Neben dem Buch gibt es eine Webseite, Podcasts und kleine Videos sowie weitere Downloads auf den Seiten der Böll-Stiftung. Zudem gibt es die Möglichkeit zur Mitwirkung in Form eines Audits, mit dem Marken identifiziert werden sollen, die besonders viel Plastik verwenden. Eine Publikation der gesammelten Daten soll ebenfalls vonseiten der Böll-Stiftung erfolgen.
Lernziele und Kompetenzen
Mit dem Lesen im Sachbuch haben die Jugendlichen die Gelegenheit, vielfältige Aspekte rund um das Thema Plastik zu erfahren, die sich auch in den Lehrplänen der Bundesländer wiederfinden. So fordert beispielsweise der Bildungsplan Baden-Württembergs für das Fach Biologie, Naturphänomene und Technik (BNT) im Jahrgang 5/6 des Gymnasiums, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Möglichkeiten des Recyclings am Beispiel ihres eigenen Hausmülls beschreiben können. Sie sollen die Bestandteile einzelnen Produktgruppen begründet zuordnen können. Das Sachbuch setzt diese Forderungen auf den Seiten zum Recycling um. Es werden Informationen zur Herstellung sowie zur fachgerechten Aufbereitung der Plastik-Produkte gegeben. Darüber hinaus sollen die Lernenden Versuche zur Trennung der Materialien durchführen. Hierbei gibt das Buch Anregungen, in welchen Alltagsprodukten sich Plastik finden lässt. Abschließend gibt der Bildungsplan vor, dass die Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Konsumverhalten reflektieren und für den nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen und Wertstoffen sensibilisiert werden. Auch hierzu liefert das Sachbuch Hinweise und Anregungen wie beispielsweise auf der Doppelseite zum Einkauf in „Unverpackt“-Läden oder stellt die Bedeutung von Nachfüll- oder Pfand-Rückgabe-Systemen in den Fokus. Auch das Engagement, mit dem die aktionale Ebene der Kompetenzentwicklung angestrebt wird, kommt im Sachbuch zur Sprache. Politischer Einsatz, die Teilnahme an Demonstrationen oder die Partizipation in lokalen Initiativen wird dabei thematisiert.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Werk verfügt über einen weichen Softcover-Einband. Dieser ist wie die Seiten auf recyceltem, nachhaltigem Druckpapier gefertigt. Das Vorwort steigt in die Thematik ein, wobei zunächst auf die farbliche Strukturierung und den Sprachgebrauch, insbesondere das Gendern, eingegangen wird. Darauf folgt das Vorwort eines Vorstandsmitglieds der Böll-Stiftung. Daran schließt sich das Inhaltsverzeichnis an, auf dem die Inhalte der 70 Seiten in Form von Fragen formuliert sind. Die Seitenzahlen sind alle farblich unterlegt. So bedeuten gelb unterlegte Seitenzahlen, dass Plastik und seine Bestandteile sowie die Gewinnung dieser dargestellt werden. Die orangen Seiten greifen die Problematik der Vermüllung durch Plastik auf. Blaue Seiten nehmen Bezug zu den Lesenden und zeigen auf, inwieweit menschliches Handeln für die Vermüllung mit Plastik verantwortlich ist. Handlungsmöglichkeiten werden mit grüner Farbe unterlegt. Die Seiten sind sehr bunt gestaltet. Es finden sich Illustrationen, Texte, schematische Darstellungen, Karten oder Bilder, die miteinander kombiniert werden. Das Buch schließt mit einem Glossar, einem Quellenverzeichnis sowie einem umfassenden Dank an die Mitwirkenden im Impressum.
Reflexion
Wie die Analyse des Sachbuches deutlich macht, kann es als hochwertig, umfassend recherchiert und informativ bezeichnet werden. Ferner ist es charakterisiert durch ein ansprechendes Design und ein Layout, das sich an den Interessen der Leserinnen und Leser orientieren soll. Dennoch ist zu sagen, dass bereits beim ersten Durchblättern die gewählte Mehrfarbigkeit unübersichtlich und im weiteren Verlauf schwierig nachvollziehbar ist. Dadurch wirkt es unstrukturiert, zu bunt und nur wenig angemessen für Lehr-Lern-Settings im schulischen Kontext. Dieser Eindruck wird durch die kleinteilige Seitenstruktur, bei der jede Seite einen anderen Sachverhalt aufgreift, unterstrichen. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Überschriften, die als Fragen formuliert sind und durchaus einen Lebensweltbezug herstellen, zur Unübersichtlichkeit beitragen. Die Arbeit mit Kapiteln, bei der die Sachverhalte logisch, stringent und sukzessive aufeinander aufbauen, wäre bei diesem hochkomplexen und vielperspektivischen Thema sinnvoller gewesen. Dazu sollten einfache Überschriften von zwei bis drei Wörtern oder Wortgruppen gewählt werden, die einfach zu verstehen sind und in ihrer Häufung im Inhaltsverzeichnis nicht überfordern.
Die Seiten verfügen über informative Texte und Grafiken. Insbesondere die Ausführungen zur Zusammensetzung von Plastik, der unterschiedlichen Arten oder der Nutzung von Plastik sind sehr gut gelungen. Auch die Berichte von Personen aus unterschiedlichen Staaten und ‑systemen sowie die Anregungen für die Ergreifung einer eigenen Initiative sind gut gelungen. Sie stehen jedoch immer einzeln für sich und werden nur teilweise in einen Zusammenhang gebracht. Dies erfolgt häufig über Verweise. Wünschenswert wäre auch hier eine Kapitelstruktur, die einen aufbauenden Charakter hat und die Inhalte sukzessive miteinander verknüpft. Am Ende jedes Kapitels könnte auch eine zusätzliche Zusammenfassung stehen, die erneut zur Vernetzung des Gelesenen beitragen würde. Zu bemerken ist außerdem, das unausgeglichene Verhältnis der Medien auf einer Seite. So verfügen einige Seiten ausschließlich über Bilder (mit einigen wenigen textlichen Informationen) und andere wiederum gänzlich über Texte. Auf diese Weise werden Lernende, die nicht gerne Lesen, ungeübt im Umgang mit Texten sind oder möglicherweise einen Förderschwerpunkt in sprachlichen Bereichen aufweisen, benachteiligt. Ferner ist die Arbeit mit Gendersternchen zwar in wissenschaftlichen, politischen oder Gesetzeskontexten mittlerweile üblich, Jugendliche werden jedoch in der Schule bislang nur marginal damit konfrontiert. Auch hier könnte es zu Benachteiligungen der angesprochenen Schülerinnen und Schüler kommen.
Sprachlich und inhaltlich sind die Texte auf einem hohen Niveau und gehen teilweise stark problematisierend auf die Sachverhalte ein. Für Jugendliche, die Hauptschulen, Realschulen oder andere Schulformen besuchen, die nicht auf das Abitur oder einen gleichwertigen Abschluss hinarbeiten, sind die Texte allenfalls ab einem Alter von 15 bis 16 Jahren zu empfehlen. Dies kann damit begründet werden, dass Fachbegriffe und Fremdwörter sowie Satzkonstruktionen mit einem oder mehreren Nebensätzen gewählt werden. Wünschenswert wäre auch hier eine stärkere Orientierung an der Zielgruppe. Erwähnt werden soll in diesem Zusammenhang noch, dass die Informationen zu den Texten und Grafiken überwiegend von Organisationen stammen, die eine schwerpunktmäßig ökologische Sichtweise auf die angesprochenen Themen haben (WWF, Böll-Stiftung, Plastic Soup Foundation usw.). Eine mehrperspektivische Sichtweise, die auch andere Bereiche der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Soziales oder Politik) in den Blick nimmt, fehlt. Die Anregungen zum Handeln im eigenen Einflussbereich sind gut gelungen.
Die Bilder und grafischen Darstellungen fügen sich in das Gesamtbild des Sachbuches nahtlos ein. Farben und ihre Symbolik, die im Vorwort erklärt werden, werden jedoch nicht durchgängig verwendet. So sollen beispielsweise Menschen im Sinne der Inklusion immer in schwarz dargestellt werden. Im Verlauf finden die Leserinnen und Leser jedoch unzählige andere Farbgebungen und Darstellungen. Es wird also eher Gegenteiliges erzielt.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich das Sachbuch nur bedingt für die ausgewiesene Zielgruppe geeignet. Dies ist mit dem wenig strukturierten Aufbau, dem unpassenden Layout und der hohen Komplexität der Texte zu begründen. Ferner wird keine Vernetzung der Sachverhalte angestrebt oder ein roter Faden gegeben, mit dem die Jugendlichen „an die Hand genommen werden“. Bedürfnisse inklusiv Lernender werden nicht berücksichtigt. Wenngleich die naturwissenschaftlichen Ausführungen sowie die Aufforderungen zur Ergreifung der eigenen Initiative gegeben werden, ist das Sachbuch für schulische Kontexte aus unserer Sicht nicht empfehlenswert.
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