Das wahre Leben der Bauernhoftiere
Das Kinderbuch „Das wahre Leben der Bauernhoftiere“ ist 2020 erstmals im Klett-Kinderbuch-Verlag erschienen. Als Sachbuch ist es für Kinder ab 7 Jahren geeignet. Es bezeichnet sich selbst als „ein ehrliches Sachbilderbuch abseits der üblichen Bauernhof-Klischees“ und macht sich somit zum Ziel, das Leben der Bauernhoftiere in der heutigen Zeit darzustellen. Als Lehrwerk empfiehlt sich das Buch selbst in Lehr-Lern-Settings der späten Kindergartenjahre sowie in der Vorschule zum Vorlesen. In den ersten zwei Jahrgangsstufen des Sachunterrichts könnte es eingebettet werden, indem die Seiten vorgelesen, gezeigt und ausführlich besprochen werden. Für Grundschulkinder ab der 3. Klasse könnte es als Lesebuch für Erstleser:innen verwendet werden. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich abseits des Regelunterrichts im Rahmen von Projektwochen oder außerschulischen Projekten. Auch als Anschaffung für die Schulbibliothek ist das Buch denkbar.
Lernziele und Kompetenzen
Inhaltlich bedient das Buch die Kompetenzen des Faches Sachunterricht, die sich in dem Perspektivrahmen des Faches und entsprechend in den Curricula der Bundesländer wiederfinden. Im Gegenstandsbereich „Natur und Umwelt“ des bayerischen Lehrplans für das Fach Heimat- und Sachunterricht wird ausgewiesen, dass die Schüler:innen Tiere als Lebewesen verstehen und sich mit ihren Lebens- und Verhaltensweisen auseinandersetzen. Das Kinderbuch kommt diesen Forderungen beispielsweise auf den Seiten zur Haltung des Hausrindes nach, bei dem das Leben im Kuhstall, der Melkvorgang und die Aufzucht der Kälber beschrieben werden. In gleicher Form wird auf die Schweinezucht und -haltung, Schafe, Ziegen und Hühner eingegangen. Zusammenhänge zwischen Natur und dem Wirtschaften des Menschen werden marginal betrachtet und teilweise in den Texten angerissen. Die historische Betrachtung landwirtschaftlicher Zusammenhänge erfolgt in Teilen, insbesondere auf der ersten Seite, auf der die Feldarbeit mit Pferd und Pflug abgebildet und die Arbeiten in der heutigen Landwirtschaft beschrieben werden.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Sachbuch verfügt über einen festen, kartonierten Hardcovereinband. Es steigt mit einem Einschlag, der gelb und mit tierischen Produkten aus der landwirtschaftlichen Produktion gespickt ist ein. Darauf folgt die Einstiegsseite, die einen modernen Betrieb – offensichtlich ein Mastbetrieb mit zwei Stallgebäuden, Futtersilos und Belüftungsanlagen, einer Scheune sowie einem angedeuteten Wohnhaus – zeigt. Danach schließt sich die Titelseite an, auf der das Impressum und der Titel des Werkes sichtbar werden. Inhaltlich beginnt das Buch mit einem kleinen historischen Abriss über die Geschichte der Landwirtschaft ab dem frühen 20. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Dabei wird insbesondere auf die technischen Entwicklungen, die Spezialisierung von Betrieben und den Strukturwandel eingegangen, welche auch mit Veränderungen der Haltungsformen einhergehen. Kontrastierend gegenübergestellt werden die Feldarbeit mit dem Pferd sowie mit dem Traktor. Die folgenden zwei Doppelseiten setzen sich mit dem Hausschwein auseinander, dabei wird überwiegend auf das Leben der Tiere im Maststall sowie auf ihren Lebenslauf eingegangen. Daran schließen sich die beiden Doppelseiten zum Hausrind an. Auf diesen Seiten wird neben der Haltung der Tiere über den Ablauf des Melkens und die Milchprodukte sowie über die Aufzucht der Kälber berichtet. Darauf folgt eine Doppelseite zur Schaf- und Ziegenhaltung. Hierbei wird ausführlich über die traditionelle Haltung der Tiere sowie die extensive Weidehaltung gesprochen. Bei den Schafen wird noch einmal besonders das Schären und die Arbeit der Schäfer thematisiert. Als letztes Nutztier wird das Haushuhn in den Blick genommen und auf zwei Doppelseiten behandelt. Dabei kommt zunächst die Eierproduktion zur Sprache, anschließend wird der Unterschied von Legehennen und Masthühnern beschrieben. Auch andere anverwandte Arten wie Gänse, Truthühner oder Enten werden benannt. Die folgenden Seiten beschäftigen sich mit dem Tiertransport vom Mastbetrieb zur Schlachtung, mit der Schlachtung selbst und der Weiterverarbeitung des Fleisches. Anschließend wird auf die ökologische Haltung eingegangen. Dabei kommen die Mutterkuhhaltung und die ökologische Schweinehaltung zur Sprache. Im Anschluss wird explizit auf die Rolle der Menschen als Konsumenten tierischer Produkte fokussiert.
Die Seiten kombinieren überwiegend Texte und Bilder miteinander. Zumeist gibt es eine Überschrift, die bei den einzelnen Tierarten über eine Unterüberschrift verfügt. Dabei werden die Mitglieder der Tierfamilie vorgestellt. Die Texte sind kurz und werden mithilfe der Bilder fotorealistisch illustriert.
Reflexion
Die Analyse des Aufbaus des Kinderbuches zeigt, dass es übersichtlich, anschaulich und logisch aufgebaut ist. Zudem zeichnet es sich durch eine gute Gliederung, altersadäquate Darstellungen sowie eine hochwertige Bebilderung aus. Die Seiten ermöglichen vielfältige Zugänge zur Thematik und holen die Kinder aus ihrer Lebenswelt ab. Die hohe Qualität der fotorealistischen Abbildungen erleichtert die Auseinandersetzung mit der Thematik und illustriert die Sachverhalte angemessen.
Die Texte sind kurz und passend gegliedert. Oben auf den Seiten wird eine Überschrift gegeben. Danach folgt zumeist eine kurze Nennung der Mitglieder der Tierfamilie. Diese werden fett hervorgehoben. Bezüglich des Layouts ist zu sagen, dass die Texte für junge Leser:innen nur bedingt geeignet sind. Sie weisen zwar kurze Sätze auf, die parataktisch gegliedert sind und verfügen über eine Schriftart, die auch für ein junges Publikum gut lesbar ist. Dennoch werden Begriffe gewählt, die sie in dieser Form nicht verstehen können, wie zum Beispiel: „klimatisierte Ställe“, „Landschaftspflege“, „Fleischerzeugung“ oder „weggezüchtet“. Vor allem als Lektüre für Erstleser:innen sollte auf diese schwierigen Begriffe verzichtet werden. Zudem kommen die Erläuterungen wesentlicher Begriffe oder Objekte wie dem Kastenstand oder dem Wiederkäuen etwas zu kurz oder sind in ihrer Grunddarstellung falsch bzw. problematisch („Viele konventionell arbeitende Bauern nehmen möglichst viel Rücksicht auf die Tiere. Das klappt auf kleinen Bauernhöfen besser als auf Großbetrieben.“). Weiterhin werden (Fach-)Wörter wie Kalb nicht durchgängig genutzt.
Inhaltlich beginnen die Texte häufig mit der Beschreibung der Haltungsform und erläutern dann tiefergehend deren Besonderheiten. Dabei werden jedoch keine neutralen Formulierungen verwendet. Es wird problematisierend und polemisch vorgegangen („Fleisch aus ökologischer Tierhaltung schmeckt besser.“). Die Kritik erfolgt überwiegend über absolute Formulierungen und sich wiederholende problematisierende, einschränkende Ausführungen. Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produktionsformen wird eine sich diametral gegenüberstehende Ausführung bezüglich ökologischer und konventioneller Erzeugung gewählt. Während die ökologische Haltung idyllisiert ist, ist die konventionelle Haltung negativ konnotiert. Hier sollte weniger eine kontrastierende Gegenüberstellung erfolgen, sondern stärker auf eine einführende, objektive Darstellung gesetzt werden, um den Kindern einen Wissensaufbau und eine eigene und freie Meinungsbildung zu ermöglichen.
Die Bilder sind von herausragender Qualität und illustrieren das Leben der Tiere in passender Weise. Dennoch muss gesagt werden, dass die Darstellungen zur ökologischen Tierhaltung überwiegend einen idyllisierten Charakter haben. Besonders deutlich wird das an den Darstellungen zur Hühner- und Rinderhaltung. Insgesamt sind die Bilder sehr dunkel und vermitteln so einen negativen Eindruck. Auch auf diese Weise erfolgt keine neutrale Veranschaulichung der Sachverhalte, sondern ganz subtil eine gezielte Meinungsbildung der jungen Leser:innen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Kinderbuch auf den ersten Blick mit tollen Bildern und kleinen, kurzen Texten für eine junge Leserschaft gut geeignet erscheint. Wird es jedoch genauer betrachtet und spezifisch der Inhalt analysiert, so zeigen sich deutliche Schwächen bezüglich der Neutralität, der fachlichen und sachlichen Richtigkeit sowie der Altersadäquatheit in der Begriffswahl und bezogen auf die Formulierungen. Wünschenswert wäre eine insgesamt objektivere Betrachtung, vor allem aber eine textliche Ausführung, die beim Vorwissen der jungen Leser:innen anknüpft und weitere Aspekte der landwirtschaftlichen Produktion darauf aufbauend ausführt. Stattdessen werden sehr viele Bereiche und vor allem umstrittene Aspekte der Landwirtschaft angesprochen, die häufig unterschwellig, ohne weitere Erläuterungen, hervorgebracht werden. Dieses Vorgehen widerspricht unserer Ansicht nach dem Beutelsbacher Konsens, der es verhindern möchte, Kindern und Jugendlichen Meinungen und Ansichten durch entsprechende vorwegnehmende Bewertungen unreflektiert aufzudrängen.
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